Künstler an der Schwelle zu einer neuen Kulturepoche
Mona Mur
„Ich denke nicht – also bin ich – denn das ist reines Sein“
Finn Tott-Valo, „1. Heft“, 22.8.2000, S.37
Der im Jahre 2005 verstorbene Künstler Finn Tott-Valo hinterlässt ein für die Wirklichkeits-Erkenntnis der Menschheit wertvolles Werk.
Aus welcher Gesinnung und Weltanschauung heraus ist das Werk entstanden? Welche Absicht liegt ihm zugrunde?
Nach bewegten Jungkünstlerjahren hatte er achtunddreißigjährig seine Lebensweise vollkommen geändert, sich von alten Bekannten getrennt und mit dem Buddhismus beschäftigt.



„Jahrelang hatte ich wie ein Mönch gelebt – viereinhalb Jahre lang – und mich ausschließlich mit der Lehre des Theravada-Buddhismus und ihrer praktischen Anwendung … befasst. … Darin war eine Kompromisslosigkeit, die für unsere mitteleuropäischen Verhältnisse vielleicht erschreckend konsequent ist. …“1
Die Beschäftigung mit dem Buddhismus und die Durchführung der Übungen ließen ihn anderes erleben als das, was der Mensch durch die Sinne und den an sie gebundenen Verstand erlebt und erkennt:
„Über die Erfahrungen, die ich machen konnte, die Erkenntnisse, die mir zuteilwurden, … über diese Erfahrungen, das Mönchsdasein betreffend, möchte ich hier nicht sprechen, weil ich damit sprachlich in einen Bereich kommen würde, der sehr leicht missverständlich wird. Die Sprache, womit Erfahrungen dieser Art mitgeteilt werden könnten, eine Sprache, die dies ausdrücken könnte“, muss „nicht nur entwickelt, sondern eher erfunden werden. … Je weiter in diese Lehre eingedrungen wird, desto ‚feinstofflicher‘ werden die Erfahrungen – und diese Feinstofflichkeit in Worte zu kleiden … ist ein sehr schwieriges Unterfangen.“2



„Vielleicht ist in diesem Zusammenhang zur Aufhellung folgende Formulierung hilfreich: Es gibt eine von Menschen erreichbare ‚Große Wahrheit‘. Diese ‚Große Wahrheit‘ ist ein Zustand, den der Mensch durch Übung erreichen kann. Der Zustand der ‚Großen Wahrheit‘ … ist, da es ein Zustand ist, nicht denkbar … aber erlebbar.“3
Ich denke nicht, also bin ich!
„Da es sich in diesem … Bereich um einen Sein-Zustand handelt, der als Verbundenheit aller Erscheinungsformen formulierbar ist, deren Daseins- und Wirkensform Licht, also positiv, konstruktiv, aufbauend ist, ist er – obwohl er Verbindung zwischen allen positiven Kräften darstellt – als ‚Gesamterscheinung‘ nicht fassbar.“4
„Mensch – Natur – Ding und das über den Erscheinungen -: geistiges Licht“5
„Alles … ist G.-H.-V.*“6
Er drückt sich hier sehr verhalten aus. Man muss genau lesen. ‚Verbundenheit aller Erscheinungsformen‘ – das heißt ja doch: Er hat erlebt, dass alles inklusive des Menschen-Ich nicht einzeln, nicht voneinander getrennt sind, dass sie miteinander verbunden, also eines sind, unterschiedliche Manifestationen in dem Einen sind. Auch das, was der Mensch als sein Einzel-Ich empfindet, ist in dem Einen. Die Trennung ‚Ich – Nicht-Ich‘ hat er als Illusion erlebt. Nicht denkerisch abstrakt erkannt hat es dies, sondern es in einem besonderen Bewusstseinszustand erlebt.
Die ‚Daseins- und Wirkensform‘ ist ‚Licht‘, geistiges Licht. ‚Mensch-Natur-Ding und das über den Erscheinungen-: geistiges Licht.‘ Das Bewusstsein ist in einem Gebiet des Daseins, in dem sich das Eine als geistiges Licht kundtut, in dem die Trennung nicht existiert und das die wahrgenommene Trennung im Normalbewusstsein als Illusion entlarvt: ‚Alles ist ‚…- Verblendung‘.
‚Ein Zustand, den der Mensch durch Übung erreichen kann.‘
Die Übungen haben den Sinn, das Bewusstsein in diesen Daseinsbereich und zu diesem Sein-Zustand zu leiten, sie betreffen also das menschliche Innenleben.




Denken, Fühlen und Wollen ändern sich durch diese Übungen so, dass der Mensch sich auch in der reinen Lichtwelt bewusst sein kann.


Das ist das Besondere an Finn, dass er dieses Erlebnis haben konnte. Dadurch ist seine Welt- und Selbstauffassung unumstößliche Gewissheit, mit keinerlei Zweifel behaftet. Zweifel können nur dem Denker kommen, da ihm zu den Gedanken die Wahrnehmungen fehlen, die für die volle Erkenntnis im menschlichen Bewusstsein zusammengebracht werden müssen
Die Durchdringung des Erlebnisses im ‚Sein-Zustand‘ mit Gedanken erfolgte erst, als das Erlebnis vorbei war, – und es dauerte eine ganze Weile, bis Finn das, was er zunächst Geistiges Licht Der Universen nannte, als eine Offenbarung im geistigen Licht dessen erkannte, was Gott genannt wird. Jetzt sagt er GöttlichGeistigesLichtDerUniversen (GGLDU). Das ist das Besondere an Finn, dass er zuerst erlebt und dann in Schriften wieder erkennt.
Er hatte mit den Offenbarungsreligionen nichts zu tun, zum Buddhismus, der keinen Gottesbegriff kennt, war er aus dem Wunsch der Selbstklärung gekommen. Und er freute sich und betonte oft, dass der Buddhismus keinen Gottesbegriff hat. Der Verfasser erinnert sich noch gut an den Zeitpunkt, an dem es Finn aufging und er sich getraute, dies zu denken, dass er ein Gotteserlebnis gehabt hatte: Er kam zu mir, umarmte mich und sagte mit brüchiger Stimme und Tränen in den Augen: ‚O Lord, have you missed me?‘
Der Sturz zurück ins normale Bewusstsein war niederschmetternd und bitter. In der Welt der Illusion zu handeln schien ihm zunächst sinnlos.
„Der reine Geist handelt nicht – er ist.“* ‚Ich habe schon auf der Fensterbank gestanden, um runter zu springen‘. Er war mit allem eins gewesen im Geistigen Licht. Jetzt überfiel ihn alles ‚KleinlicheSchattigeNiedrigeGemeine‘ (KSNG). So nannte er die wahrnehmbare Welt im Verhältnis zum ‚LichtenWahrenGutenSchönen‘ (LWGS).
„Alles – außer sich auf eine Lichte Art am Leben zu erhalten – kann aufgegeben werden. Was ist die Lichte Art, sich am Leben zu erhalten – für mich?“*
Finn erwog zunächst ernsthaft, in ein buddhistisches Kloster zu gehen. Aber dies tat er nicht, denn es schien ihm egoistisch. Denn: „Das reine (lichte) ‚Denken‘ ist nicht geben.“*
Und: „Das Schauen der ‚GroßenLichtenWahrheit’ sollte uns nicht ‚erschlagen‘ = nur demütig machen und dazu führen, dass wir uns ‚klein‘ sehen – SONDERN: Es ist eine Verpflichtung – das Gute, Schöne und Wahre (Lichte) zu tun – zu verwirklichen – zu gestalten…“*
Wozu entschloss er sich also? Dazu, in bildnerischen Arbeiten, in Texten und im Kontakt mit Menschen „…A) den Weg zum ‚Lichten Geist‘ – Der Großen Wahrheit aufzuweisen – den Weg dorthin mitzuteilen – oder B) Dinge zu gestalten, die einen Teil dieses ‚Lichten Geistes‘ – Der Großen Wahrheit ‚zeigen‘“.*
Formulierbare Aspekte des Erlebnisses der Großen Wahrheit sind:
„Der Mensch ist verbunden mit allen und allem Lebendigen. Er ist eins auf allen Ebenen mit allem. Die trennenden Dinge liegen außerhalb von ihm. Sie sind nicht seine wahre, ihn mit allem verbindende Natur.“7
„Diese wahre Natur des Menschen ist … sein klarer oder geklärter innerer Bereich – und in diesem Bereich und von diesem Bereich aus ist er mit allem verbunden – mit allen positiven Kräften, die in und um ihn sind. Von da aus ist er auch mit den Kräften verbunden, die nicht mit dem elementhaft Irdischen verbunden sind. Es ist eine lebendige, alles umfassende Kraft, die nichts leugnet, mit allem verbunden ist und das immerwährende Gesetz des Lichten Kreislaufes führt und ist. Diese Kraft kann der ‚Lichte Geist‘ oder ‚Die Große Wahrheit‘ genannt werden.


Mein Bestreben also und die Kunst, die ich zu verwirklichen trachte – unterstellt sich und versucht zu gestalten den Ideenkreis, den ich nennen möchte: DER LICHTE GEIST – DIE LICHTE IDEE- DIE GROSSE WAHRHEIT … Der Schwerpunkt der Gestaltung der Lichten Idee ist … der Gedanke, dass alle Erscheinungsformen (alle) A) Göttlich … (Die Große Wahrheit) – B) Geheimnisvoll – (Geistiges Licht) … sind – C) Sich dem Menschen in erster Linie (gedanklich) als Licht (in mehrfachem Sinne) – Temperatur – und Entfernung ‚zeigen‘!8
„Wenn … gelegentlich Gegenstände“ in den Arbeiten „auftauchen – die zur Vertiefung einer Lichten Idee beitragen – dann dürfen diese ihr ‚Gewicht‘ als Gegenstände NICHT behalten – sie dürfen nicht dominieren – SONDERN diese müssen gestaltet = verwandelt und der Idee des Lichten untergeordnet eingebracht werden! … Es ist richtiger, Material zu verwandeln … und eigene Formen zu entwickeln – als ‚Objekte‘ umzugestalten – dies nur dort tun – wo es unumgänglich erscheint!“9
Der Künstler entwickelte die Form ‚Kleinod‘10 und verwandte ein Werkzeug aus dem Schneiderhandwerk als ‚OMEDE‘.
„Was sind die Omeden, was ist eine Omede? Das ist A ein Bereich (Schwingungsbereich) im Menschen – der den Menschen zeitweilig – wenn er sich darauf eingelassen hat – sehr stark ausfüllen kann; es ist ein positiv schwingender Bereich ohne Widerspruch, ohne Dualität (Subjekt-Objekt), da in dem Schwingen der Widerspruch aufgehoben ist. Das ist B ein Bereich außerhalb des Menschen – der sich nahe, aber auch sehr weit von einem Menschen entfernt ‚befinden‘ kann u. dennoch Kontakt zu diesem (bestimmten?) Menschen haben kann (ganz schwach ist der Kontakt stets da?) und diegleichen ‚Eigenschaften‘ besitzt wie dieser ‚Bereich‘ im Menschen. – Was ist das – genauer – für ein ‚Bereich‘?“11
Die OMEDE ist also nicht ein Zeichen für das Ich, die Selbstauffassung, des Menschen, wie er es heute empfindet, sondern -weil es ja ebenfalls nicht von dem Einen getrennt ist – für das , was das Ich sozusagen werden kann, wenn es sich entwickeln will, wenn es sich reinigt, indem es sich bewusst wird, was es verschattet, vom Licht entfernt, wenn es das Eine von sich aus sucht, von dem es gesucht wird und das nur scheinbar, nur für unser jetziges Bewusstsein, von ihm getrennt ist.

Nach dem überwältigenden Erlebnis der ‚Großen Wahrheit‘, das ihm alles, was der Mensch wahrnehmen kann, inklusive seiner Gefühle, Gedanken, Willensimpulse und seines Ich-Gefühls (‚Innenbereich‘) als Illusion, als Außenseite (‚Verblendung‘) des in allem wirkenden ‚GöttlichGeistigenLichtDerUniversen‘ entlarvt hat, will der Künstler nichts für sich selbst. Er verzichtet z. B. darauf sich dazu zu entwickeln, dass der Sein-Zustand vielleicht ein dauernder werde, denn dann wäre er ins Kloster gegangen.
Mitteilen, was ein Mensch erlebend erkennen kann, weitergeben, was er erlebend erkannt hat, mithelfen, dass die Menschen sich aus dem Stadium herausentwickeln, lediglich das jetzt Wahrnehmbare für die (einzige) Wirklichkeit zu halten und es nicht als von der ‚lebendigen, alles umfassenden Kraft‘ Bewirktes zu erkennen, diese Absicht liegt dem Werk zugrunde.
„Sie glauben, was sie sehen.“12
Den Weg zum Schauen der ‚Großen Wahrheit‘, den er selbst gegangen ist, und Aspekte der in ‚ihrer Gesamterscheinung‘ unaussprechlichen ‚Großen Wahrheit‘, die er selbst erlebt hat, das gestaltet er für die anderen Menschen, für uns.
Diese Absicht liegt dem Werk zugrunde und aus dieser Weltanschauung heraus ist es entstanden.
Alle Bilder strahlen eine große Reinheit aus.
Denn nicht nur die gestalteten Inhalte, die verwirklichten Intuitionen sind licht. Auch der Schaffensprozess ist licht, denn der Künstler nahm sich ganz zurück. Es durfte nichts von ihm selbst in die Arbeit einfließen, die Intuition sollte sich durch ihn als bewusstes Werkzeug selbst verwirklichen, wahrnehmbar und erkennbar werden.
„Die ‚Idee‘ des Lichten ausdrücken verlangt andere ‚Wege‘ als die traditionelle Malerei.“13
„Das Geheimnis: Dienen!“14
„Eine große Sache verwirklichend sein Selbst-Ich … aufgeben und ganz in der großen Sache aufgehen …Die gute Lichte Idee – sich selbst loslassen und DIESE verwirklichen. Vergiss dich und tue es im Namen des ‚Lichten‘ und achte darauf, dass das Lichte im höchsten Maße in die Verwirklichung eingebracht wird.“15
„Sei niemals auf Lob aus; – vollende alles um seiner selbst willen; …“16
„Vergiss dich! Vergiss dein Ich! Sieh die Lichte Sache – handele in ihrem Sinne – dann ist nichts ich-bezogen.“17
Im Schaffensprozess musste alles Persönliche ausgemerzt sein. Um lichte Arbeiten zu machen, durfte er nicht eine aus seinen ‚normalen Alltagsgedanken‘ geborene Idee verwirklichen, durfte auch nicht beispielsweise seiner Lust am Poetischen oder seiner Freude an bestimmten Materialien nachgeben. Er musste die Intuition zu einer Arbeit aus dem Licht empfangen, die dann Gedanke wurde und die Gestaltung der Arbeit veranlasste. Während der Arbeit durfte auch nichts ‚Schattiges‘ in ihm wirksam sein. Spürte er solches, so ließ er die Arbeit unvollendet. Für lichte Arbeiten musste er seine Persönlichkeit auslöschen, hingeben, damit das Licht durch ihn wirken könne. Und das ist schwer, ungeheuer schwer.
Der Künstler nimmt sich ganz zurück. Die lichte Idee verwirklicht sich selbst durch ihn als bewusstes Werkzeug. Und zwar einzig zu dem Zweck der Bereicherung des Betrachters auf dem Weg zum Licht.
Dies ist ein neuer Beweggrund, Kunst zu schaffen: Kunst allein zur Bereicherung des Betrachters auf dem Weg zur Wirklichkeit bei absoluter Selbstlosigkeit des Künstlers.
Finn Tott-Valo überwindet das Persönliche im Innenleben zugunsten eines Über-Individuellen, das auch alles Persönliche ist. Er fällt nicht zurück ins Nicht-Individuelle!
Bei Finn Tott-Valo ist die Kunst Dienerin einer Wirklichkeit, die über die von der Menschheit bisher errungene Wirklichkeits-Erkenntnis hinausgeht. Die Bereicherung des Betrachters ist Hauptanliegen seiner Kunst. Nach Überzeugung des Verfassers führt diese Kunst in eine neue Kulturperiode, zumindest steht sie auf ihrer Schwelle, in eine „Kulturperiode der Selbstlosigkeit und Brüderlichkeit“. Die Abwärtsentwicklung in unserer „Kulturperiode der Persönlichkeit“ führt oft – wie in jedem Lebensbereich zu erkennen ist – in den Egoismus. Die notwendige Aufwärtsbewegung führt zum anderen Pol der Individualität, der Selbstlosigkeit. Der Künstler strebt Selbstlosigkeit an, um das von ihm Erworbene mit seinen Mitmenschen zu teilen. Das ist Brüderlichkeit. Der Verfasser weiß, dass der Ausdruck „Kulturperiode der Selbstlosigkeit und Brüderlichkeit“ schwülstig klingt. Aber soll er sich deshalb dem, was er als Tendenz zu erkennen gewiss ist, verschließen? Die Bezeichnung ist treffend.
Um diesem Anspruch, den die Aufgabe an ihn stellte, immer mehr zu genügen, musste Finn äußerst aufmerksam sein auf das, was er aufnahm, dachte, fühlte, sagte, tat. Seine Notizbücher lassen erkennen, dass er in immerwährendem, nimmermüdem bewussten Austausch mit seinem Innenleben war.
Der Verfasser hat miterlebt, wie schwer dem Künstler der Schritt zurück zu Gemeinschaft und Alltag fiel, zu dem er sich entschloss. Er blieb natürlich Buddhist. Er kam aus der Großen Stille und war im Licht-Erlebnis verbunden gewesen mit allem. Jetzt überfiel ihn alles Schattige mit Wucht. In der neuen Lebensgemeinschaft war es nicht mehr möglich, die Übungen so auszuführen wie in der Einsamkeit der ‚Buddhazeit‘.
Das GroßeLichtErlebnis wiederholte sich nicht. Es wurde zur Erinnerung. Finn litt darunter, war unzufrieden, unglücklich. Er strebt immer wieder Rückzug und Stille an, lebte zuweilen – so gut es ging – auch in ihnen, aber nie mehr so intensiv wie zuvor. Das Erlebnis also wiederholte sich nicht.
Die gedankliche Erkenntnis jedoch blieb ihm stets gegenwärtig. Er war sich immer bewusst, dass er in der Welt lebte, die die Außenseite dessen ist, was er im Licht erlebt hatte. Dies gegenwärtig zu halten war äußerst anstrengend. Er war kein Heiliger, er war ein Mensch, ein Mann, ein vor Kraft, Energie Lebendigkeit strotzender Mann, mit viel Humor und Witz, auf den die äußere Welt wirkte. Er konnte sich der Welt nicht entziehen, die er ja um sich hatte
Seine Notizbücher sprechen über Jahrzehnte hin beredt von seinem unermüdlichen Streben und Ringen, das LichteWahreGuteSchöne in sich als Eigenschaften zu entwickeln, es in Gedanken, Gefühlen, Worten Taten und künstlerischen Arbeiten zu verwirklichen. Sie sprechen auch davon, wie er, dessen Empfindungsvermögen eben das eines Künstlers war, er also mehr als die Oberfläche von Situationen, Orten, Handlungen und Personen usw. zu erkennen begabt war, das Abgeschattete des GöttlichGeistigenLichtDerUniversen, also das KleinlicheSchattigeNiedrigeGemeine, unbestechlich spürte – und damit auf lichte, wahre, gute und schöne Weise umzugehen sich mühte. Auch die während der Kindheit in ihn gesenkten Gefühle der Angst, des Selbstzweifels, des Nicht-Handeln-Dürfens wirkten noch stark in ihm, und er rang über Jahre darum, ihren Einfluss zu besiegen.
Dieses ständige überwache empfindungs- und verstandesmäßige Bemerken dessen, was in allem ihn Umgebenden und in ihm selbst innerlich wirksam war, löste in ihm das aus, was er innere Tumulte nannte. Diese Tumulte musste er erst zur Ruhe bringen und sich all dessen, was in ihn kam, erst entledigen, ehe er an die Ausführung einer Bildidee, die den oben genannten Ansprüchen genügen musste, gehen konnte.
Der Verfasser kann erst jetzt ermessen, welche Kraft dies kostete, weiß er doch auch, dass dem Künstler außerdem noch viele äußere Widrigkeiten, z. B. finanzieller Art, begegneten. Hier und da machte Finn vorsichtige Andeutungen über sein Vorhaben in der Kunst und über sein Erlebnis. „Ich versuche, das Geheimnis zu zeigen.“ Alle reagierten mit Unverständnis. Die Zeit war nicht reif für Verständnis. Ist sie es jetzt? Auch diesen mit Unverständnis Kritik Übenden strebte er auf lichte, wahre, gute und schöne Weise zu begegnen, indem er auch ihnen gegenüber geduldig, gütig, mitleidig zu sein sich bemühte.
Finn wusste sehr gut, dass er den Menschen in seiner Kunst etwas Wertvolles zu geben hatte, aber viel öfter als dieses sicherlich beglückende Wissen herrschte die Demut in ihm. Der Gedanke, als kleiner Mensch etwas so Hohes in die Welt bringen zu sollen, ließ Bescheidenheit und die Gefühle der Unwürdigkeit und Unfähigkeit in seinem Herzen wohnen.
In seinem Ringen und Streben um der lichten Kunst willen war er ganz allein, erfuhr niemals Anerkennung. Die wundervollen Bilder sind in Einsamkeit und Leiden geschaffen.
Hochachtung und Bewunderung empfindet der Verfasser beim Lesen der Notizbücher. Sie sprechen nicht nur von dem oben schon Beschriebenen, sondern auch vom häufigen Zurückgeworfen–Sein ins Schattige, von Neubeginn, erneutem Zurückgeworfen-Sein, erneutem Neubeginn. Von Müdigkeit, Trauer, Verzagtheit sprechen sie. Der Künstler bittet und fleht zuweilen das GGLDU um Hilfe an, wenn er an sich zweifelt, was die Kindheitsgefühle oft zur Folge haben, und wenn er meint, zu selten lichte Arbeiten zu machen, da er das KSNG aus sich zu verbannen nie ganz in der Lage sei. Von neuer Hoffnung und neuem Mut sprechen sie. Und niemals (!) – trotz aller Schwierigkeiten – erwägt der Künstler ein Aufgeben des Ziels, des Ziels, für andere im und aus dem Lichten zu schaffen.
Nicht oft genug kann der Verfasser seiner Bewunderung und Hochachtung vor dieser Persönlichkeit Ausdruck verleihen, einer Persönlichkeit, die ja nicht deshalb so hart an sich arbeitete, um für sich selbst etwas zu erlangen. All diese innere Tätigkeit in Leiden und Einsamkeit geschah ja nicht aus einem Egoismus der Selbstentwicklung um ihrer selbst willen heraus, denn dann wäre der Künstler ins Kloster gegangen. Die anstrengende innere Tätigkeit dieser Persönlichkeit an sich selbst zum Lichten hin geschah ja, um sie in den Augenblicken der Arbeit an den lichten Werken auslöschen, hingeben zu können, damit das Licht wirken könne und lichte Werke in die Welt kommen – für uns andere!
Manchmal brach er auch aus dieser strengen Selbstzucht aus und trank z. B. Alkohol oder war heiter mit den Zufallsbekanntschaften in einer Kneipe. Aber er schämte sich immer am nächsten Tag darüber, dass er ausgebrochen war und die Selbstzucht nicht durchgehalten hatte, durch die allein es möglich war, in den Zustand zu gelangen, lichte Ideen zu empfangen und zu gestalten.
Die Bilder sprechen selbst zum Betrachter. Sie sind nicht einfach Verbildlichungen von Übungsanweisen, die der Menschheit schon schriftlich gegeben sind, wie z. B. in der Bhagavad Gita, der Anthroposophie, dem Buddhismus, im Johannes-Evangelium oder von den Rosenkreuzern. Sie sind nicht die Verbildlichung von Intuitionen, die jemand anderer hatte und versprachlicht hat.
Die Bilder sprechen selbst zum Betrachter.
Denn die lichten Ideen, die in Finns Bildern ein sinnlich wahrnehmbares Kleid erhalten haben durch Vermittlung des Künstlers, von dessen Persönlichkeit eben nichts in die Gestaltung eingeflossen ist, wirken in ihnen in Reinheit. Die lichten Ideen, die den Menschen aus seiner Finsternis ins Licht leiten wollen (Schritte und Übungen, Erfahrungen und Erkenntnisse) und die lichten Ideen, die Aspekte der in ihrer Gesamterscheinung unaussprechlichen Großen Wahrheit sind, haben sich selbst verwirklicht durch den Künstler als Vermittler.
Der Künstler hat die lichte Idee selbst und die Intuitionen für die Gestaltung empfangen. Daher sind die Bilder schön, denn das innere Wirksame entspricht vollkommen dem Äußeren, dem sinnlich Wahrnehmbaren. Und daher kann der Betrachter die gestaltete Idee selbst wahrnehmen.
Die Intuition jeder Arbeit kann in Gedankenform vom Betrachter wahrgenommen werden ohne einen Vermittler. Aber nur dann – das hat der Verfasser an sich selbst erlebt – wenn seine eigenen Gedanken und jedwedes Urteil bei der Betrachtung schweigen. Man muss die Bilder still anschauen, dann sprechen sie. Dem Verfasser ist es nach häufiger stiller Betrachtung der Arbeiten so ergangen, dass er selbst elementare Wahrnehmungen in der reinen Licht- und Farbenwelt erlebte. Und durch diese Wahrnehmungen hat er die Bilder „Das Geheimnis der Töne“ und „B-D-S“ sowie alle Arbeiten in Enkaustik-Technik als Übertragungen dieser übersinnlichen Wahrnehmungen ins Sinnlich-Wahrnehmbare wieder erkannt. Es sind Bilder von Wahrnehmungen im für Menschen nächst höheren Gebiet des Daseins. Dieses mitzuteilen schien dem Verfasser wichtig, damit nicht die falsche Meinung aufkomme, „Das Geheimnis der Töne“ sei eine Imitation oder Kopie von Elementen in Jasper Johns‘ Bildern. Es ist keine Imitation, sondern die Verbildlichung von elementaren Wahrnehmungen in der Licht- und Farbenwelt.

Und warum heißt das Bild „Das Geheimnis der Töne“?
Denke nicht, lieber Betrachter, schweige und schau!
„Und: Es ist lichte Führung da!“18
Der Künstler Finn Tott-Valo hinterlässt ein für die Wirklichkeits-Erkenntnis der Menschheit wertvolles Werk.
Ich denke nicht – also bin ich – denn das ist reines Sein.
Finn Tott-Valo – Künstler an der Schwelle zu einer neuen Kulturepoche




Der Verfasser kannte den Künstler von 1984 bis zu seinem Tode im Dezember 2005. Er hat viele Stimmungen des Künstlers miterlebt, unzählige Gespräche mit ihm geführt und einige seiner in die Hundert gehenden Notizbücher gelesen.
- ‚Buddha der Großstadt‘ kleine Chinakladde, geschrieben am 22.3.1991 ↩︎
- ebenda ↩︎
- ebenda ↩︎
- Undatierter Eintrag – von hinten angefangen im Notizbuch April/Mai 1991, vielleicht vom 11.5.1991 ↩︎
- Notizbucheintrag vom 3.5.1991 ↩︎
- Notizbucheintragung vom 9.5.1991, ebenso die folgenden Zitate (* -> Gier, Hass, Verblendung entspricht Anziehung, Abstoßung, Täuschung/Illusion (Anm. d. Verf.)) bis Fußnote 8 ↩︎
- Welche Aspekte der Großen Wahrheit formulierbar sind, die auch Aspekte seiner Welt- und Selbstauffassung waren und in mancher Arbeit gestaltet sind, kommt in dem Text „Mein Kunstkonzept“ zum Ausdruck. Sprachlich ausdrückbare Aspekte dessen, was der Künstler im Sein-Zustand der Großen Wahrheit erlebte, sind darin eingeflossen und zweifelsfrei aus den formulierten Inhalten zu erschließen. Der Verfasser formuliert sie oben um. ↩︎
- Kunstkonzept, wahrscheinlich 1991 ↩︎
- Undatiert Karteikarte, eingelegt ins Heft ‚Kunstkonzept‘, wahrscheinlich 1991 ↩︎
- Zur Information: Ti-ratana, Die ‚Drei Kleinodien‘, sind: der Buddha, der Dhamma, der Sangha, d.i. der Erleuchtete, das von ihm entdeckte Gesetz und die dem Gesetz gemäß lebende edle Jüngerschar …(Nyanatiloka, Buddhistisches Wörterbuch, Verlag Christiani Konstanz, dritte Auflage 1983, S. 222) Dem Verfasser gegenüber hat der Künstler die Form stets im Singular ‚Das Kleinod‘ genannt. Die Form deutet also nicht unbedingt (nur) auf den buddhistischen Inhalt. ↩︎
- Undatierter Kanzleibogen, wahrscheinlich aus den 1990er Jahren ↩︎
- Undatierter Zettel ↩︎
- Notizbucheintrag vom 9.5.91 ↩︎
- Notizbucheintrag vom 29.4.91 ↩︎
- Notizbucheintrag vom 20.4.91 ↩︎
- Notizbucheintrag vom 11.12.89 ↩︎
- Notizbucheintrag vom 27.4.91 ↩︎
- Notizbucheintragung vom 9.5.1991 ↩︎